„Aus Unglück darf nicht Ungerechtigkeit werden“
Von: Michèle Graf-Kaiser
In Zeiten immer knapper werdender Ressourcen für Coronapatienten in Schweizer Spitälern, wird Medizinpersonal vor komplexe Entscheidungen im Zuge der intensivmedizinischen Triage gestellt. Die Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz EKS publiziert nun zehn Fragen und Antworten, die einen möglichen Weg aus der ethischen Problematik aufzeigen.
Niemand will sie und trotzdem müssen wir uns mit ihr aus aktuellem Anlass beschäftigen: die Triage, also die Auswahl von Schwerkranken, weil die intensivmedizinischen Kapazitäten nicht für alle ausreichen könnten.
Was wie ein tragischer medizinischer Engpass aussieht, ist tatsächlich eine schwerwiegende gesellschaftspolitische Frage: Wie sollen die in der Coronakrise knappen intensivmedizinischen Ressourcen gerecht verteilt werden?
Die EKS-Publikation «Aus Unglück darf nicht Ungerechtigkeit werden» zeigt in einem ersten Schritt die ethischen Probleme von Triage-Entscheidungen auf. In einem zweiten Schritt skizziert sie einen Vorschlag für einen fairen Umgang mit der intensivmedizinischen Knappheitssituation.
Die Tragik der Triage besteht darin, dass schwerkranken Personen eine lebensrettende Behandlung vorenthalten werden kann, die sie unter normalen Umständen erhalten hätten. Die Medizin formuliert Kriterien für die Kategorisierung von Behandlungsbedürftigkeit. Aber die Regeln, nach denen Patientinnen und Patienten ausgewählt oder zurückgewiesen werden, sind keine medizinischen. Damit rückt die ethische Frage nach der gerechten Verteilung ins Zentrum.
Das EKS-Dokument argumentiert für eine solidarische, gesellschaftliche Lösung. Es seit im Interesse aller, tragische Situationen für die Betroffenen und belastende Entscheidungen für das Medizinpersonal zu vermeiden. Jede Person solle die Frage für sich klären, ob sie in einem solchen Fall intensivmedizinische Behandlung wünsche oder darauf verzichtee und ihren Entscheid dokumentieren, so die EKS.
Dieser Akt der Solidarität ist aber gemäss EKS an zwei Bedingungen geknüpft:
- Erstens müssen Gesundheitspolitik und Medizin garantieren, dass für jede Person, die auf eine intensivmedizinische Behandlung verzichtet, eine angemessene palliative Begleitung sichergestellt ist.
- Zweitens besteht die solidarische Pflicht der Gesamtgesellschaft gegenüber diesen Personen darin, sie vor den Gefahren einer Ansteckung zu schützen. Die Solidarität des Verzichts durch die einen verlangt die Solidarität des Schutzes durch die anderen.
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